Jahwe

Jahwe
Jah|we 〈im AT〉 Name des Gottes Israels; oV Jahve [hebr.]

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Jah|ve , (ökum.:) Jah|we [hebr. yahwë̡, viell. eigtl. = er ist]:
Name Gottes im Alten Testament.

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I
Jahwe
 
Historisch gesehen ist die Entstehung des biblischen Israel ab 1200 v. Chr. Teil eines umfassenderen Prozesses der siedlungsmäßigen und politischen Neuordnung des Großraums Syrien-Palästina (Kanaan). Analog zur Formierung Israels entstanden damals auch die Reiche Aram, Ammon und Moab. So gesehen ist die Entstehung Israels kein isolierter Vorgang - und sie ist es doch, denn nur in Israel wurde dieser Prozess mit dem Gott namens Jahwe in Verbindung gebracht und als sein Werk gedeutet. Nach der biblischen Überlieferung war es Jahwe, der Abraham in dieses Land schickte, der die vom Pharao unterdrückten Nachkommen von Jakob-Israel unter der Führung des Mose aus Ägypten befreite, und der Israel half, unter der Führung des Josua das von kanaanäischen Königen besetzte Land in Besitz zu nehmen. In diesen Überlieferungen wirken gewiss Erinnerungen jenes komplexen historischen Prozesses nach, wie aus der Sicht der neueren archäologischen Erkenntnisse nachgezeichnet werden kann. Wie aber kam Israel dazu, diesen Prozess, anders als beispielsweise Moab und Ammon, als Tat des Gottes Jahwe zu deuten? Diese Frage verschärft sich noch angesichts der Tatsache, dass die neue Dorfkultur in religionsgeschichtlicher Hinsicht vielgestaltig war. Sowohl die gefundenen Kultobjekte - Stierstatuetten, vollbrüstige Frauenfigurinen, Schlangensymbole - wie auch die aus den späteren biblischen Texten selbst erschließbaren Gottesvorstellungen sprechen dafür, dass »Israel« damals und bis in die Mitte der Königszeit hinein neben Jahwe auch noch andere Gottheiten verehrte, eben jene Gottheiten, die die einzelnen Gruppen, die sich zu Israel zusammenschlossen, »mitbrachten«. Verehrt wurden etwa der Göttervater El, der Sonnengott Schemesch, die Fruchtbarkeitsgötter Baal und Aschirat. Freilich zeigen die biblischen Texte auch, dass Jahwe der Hauptgott der neuen Gemeinschaft war, und dass er allmählich die Züge sowie Funktionen der anderen Gottheiten übernahm - ein Vorgang, der zur Alleinverehrung Jahwes bei Ablehnung der Verehrung anderer Gottheiten und schließlich zum Monotheismus, dem Glauben allein an Jahwe und Leugnung der Existenz anderer Götter führte.
 
Woher der Gott Jahwe religionsgeschichtlich kommt und welche Vorstellungen sich mit ihm, soweit erkennbar, ursprünglich verbunden haben, lässt sich durch drei Überlegungen präzisieren.
 
Die erste Überlegung setzt bei der Form des überlieferten Gottesnamens Jahwe an. Seine ursprüngliche Bedeutung kann nicht von Jahwes Antwort an Mose: »Ich bin der ich bin« (2. Mose 3,14) hergeleitet werden; diese Stelle bietet eine spätere, sekundäre Deutung, die angesichts der Leiderfahrungen der Israeliten in Ägypten die Gotteszusage einschärft, dass Jahwe, was immer geschieht, mit oder bei seinem Volk da sein wird. Die religionsgeschichtlich ursprünglichere Bedeutung wird von der Mehrzahl der Forscher von dem Verbum »hawah« (= wehen) abgeleitet. Der Name »Jahwäh« kann dann übersetzt werden »Er weht« oder »Er fährt durch die Lüfte«. Der so verstandene Name kennzeichnet dann Jahwe als Sturm-, Gewitter- und Regengott. Da die Form des Gottesnamens bislang vor allem in Altnordarabien belegt ist, kann Jahwe nicht als Wetter- und Fruchtbarkeitsgott des Kulturlandes, sondern als Gottheit von Oasenbauern und Kleinviehnomaden im nordarabischen Steppengürtel gedeutet werden. Er war dann ursprünglich Schutzgott einer Sippe oder eines Stammes außerhalb des Kulturlandes.
 
Das fügt sich in eine zweite Überlegungskette, die bei ägyptischen Texten ansetzt. Der Name JHW(H) - wie auch in anderen semitischen Sprachen werden im Hebräischen und Aramäischen nur die Konsonanten eines Worts geschrieben - fand sich nämlich auf Bauteilen ägyptischer Tempelanlagen im (sudanesischen) Nubien, und zwar in einem wohl um 1370 v. Chr. in Soleb errichteten Tempel Amenophis' III. und in dem von Ramses II. erbauten Tempel in Amarah. Beide Male wird in einer Ortsnamenliste ein »Land der Schasu JHW« genannt. Die Namensform JHW bezeichnet dabei einen Teil des von den Schasu bewohnten beziehungsweise durchzogenen Gebietes. Die jeweils gemeinte Region ist das Gebiet südöstlich und südwestlich des Toten Meeres, einerseits das Wandergebiet der Kleinviehnomaden Nordarabiens und andererseits das südpalästinische Grenzgebiet Ägyptens; es ist das Gebiet, das sich ungefähr mit der biblischen Region Midian deckt. Mit den hier lebenden Schasu hatten die Ägypter offensichtlich immer wieder militärische Auseinandersetzungen, weil die Schasu sich dem ägyptischen Machteinfluss in dieser Region widersetzten. Die Ägypter suchten dieses »Schasu-Problem« sogar mit dem Mittel der Versklavung zu lösen, wie ein Relief des Sethos' I. am Amuntempel von Karnak zeigt. Dass der Ortsname JHW zugleich Eigenname der Schutzgottheit der Schasu-Gruppen war, lässt sich zwar aus den Texten nicht ableiten, da Ortsnamen häufiger zugleich Gottesnamen waren. So war zum Beispiel Assur Stadt-, Reichs- und auch Gottesname bei den Assyrern. Als Schutzgott der Schasu konnte JHW seine göttliche Macht gerade in den Konflikten mit den ägyptischen Truppen und mit den ägyptischen Militärgarnisonen in Südpalästina dadurch erweisen, dass er seine Verehrergruppen in ihrem Befreiungskampf gegen die Ägypter unterstützte.
 
Die dritte Überlegung setzt bei den ältesten biblischen Texten über den Gott Jahwe an. Diese Jahwe-Überlieferung kann man zum einen in Texten wie dem bereits genannten Deboralied (Richter 5) sehen, wo Jahwe als kämpferische Gottheit im Stil eines Sturm- und Wettergottes - gleichsam eine Mischung aus dem kanaanäischen Baal und dem ägyptischen Wettergott Seth - die von Kanaanäern bedrohten Stämme Israels rettet (Richter 5,20f.). Zum anderen ist die auch im (sekundären) Rahmen dieses Buches belegte Vorstellung einer Gotterscheinung (Theophanie) die, dass der Gott Jahwe von Sinai her als Licht aufstrahlt und zur Rettung seines Volkes kommt, wobei sein Kommen, wie dies auch in altorientalischen Schilderungen von Gotteserscheinungen üblich ist, in der Auswirkung auf Erde und Himmel, Berge und Wolken beschrieben wird:
 
»Jahwe, als du auszogst aus Seir,
 
einherschrittest aus Edoms Gefilden,
 
da erbebte die Erde, ja die Himmel troffen,
 
ja die Wolken troffen von Wasser,
 
die Berge erzitterten vor Jahwe, dem aus Sinai,
 
vor Jahwe, dem Gott Israels« (Richter 5,4f.).
 
Zwar ist das Alter dieses Textes umstritten, doch liegt die gleiche Vorstellung noch einmal in Psalm 68,8 und in 5. Mose 33,2 vor. Immer geht es um den Gott Jahwe, der aus der Sinairegion kommt, um sein Volk zu retten. Diese Vorstellung ist einerseits von der klassischen Sinaiüberlieferung, wonach Jahwe zum Berg Sinai herabsteigt, um dort zu seinem Volk beziehungsweise zu Mose zu reden (so im 2. Buch Mose 19 und 34), klar unterschieden; andererseits beziehen sich die in diesen Texten genannten Regionen Seir, Edoms Gefilde, Pharan deutlich auf die in den ägyptischen Tempeltexten als JHW-Land bezeichneten Regionen Südpalästinas beziehungsweise Nordarabiens. So legt sich der Schluss nahe, dass hier in der Tat die religionsgeschichtlich früheste Bezeugung des Gottes Jahwe gegeben ist, der »aus Sinai« kam und als Retter aus der Macht Ägyptens und Kanaans zum Hauptgott der neuen dörflichen und auf Gleichheit gegründeten Stämmegesellschaft Israels aufstieg. Diesen religionsgeschichtlichen Aufstieg verdeutlichen einige Beobachtungen, auch wenn dabei manches spekulativ bleiben muss: Jahwe war ursprünglich der Schutzgott von Schasu-Kleinviehnomaden im nordarabischen und südpalästinischen Steppengürtel. Als solcher war er Wetter- und Sippengott zugleich. Sodann wurden die ägyptischen Bestrebungen in der Spätbronzezeit (1550-1200 v. Chr.), auch die nicht beziehungsweise nur halb sesshaften Kleinviehhirten Süd- und Mittelpalästinas in ihr Herrschaftssystem einzubeziehen, indem sie vor allem gefangen genommene Schasu in der ägyptischen Provinz Kanaan versklavten, von diesen Kleinviehhirten auch als Auseinandersetzung zweier unterschiedlicher religiöser Traditionen betrachtet. Insbesondere erhofften sie, dass ihr Gott Jahwe sich in dieser Situation als der sie schützende und rettende Gott erweisen würde. Die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und religiösen Verhältnisse dieser Kleinviehhirten spiegeln sich in den Erzählungen über die Erzväter Israels wider (1. Mose 12ff.). Zu dieser Gruppe gehören zum Beispiel Abraham, Isaak, Jakob und Joseph. Als ferner um 1200 die ägyptische Oberherrschaft in Mittel- und Südpalästina zusammenbrach und die von Ägypten abhängigen kanaanäischen Stadtkönigtümer untergingen, wurde die neue politische Freiheit auch als göttliche Rettung aus Ägypten gefeiert. Die neue Gottesbotschaft ging vermutlich von einer Schasu-Gruppe aus, deren Vorfahren einst als Kriegsgefangene oder Sklaven nach Ägypten verschleppt worden waren und die ihre gelungene Flucht aus Ägypten unter Führung des Mose als Befreiungsgeschichte in die neue Gemeinschaft Israel einbrachten. Die erzählerischen Motive dieser Geschichte, die in der erkennbar ältesten Überlieferung (2. Mose 1-15) greifbar werden, passen gut zu dem »Ägyptenbild« jener Epoche, wie es auf den in Israel gefundenen Stempelsiegeln belegt ist; darauf ist die »göttliche« Herrschaft des Pharao im Symbol des von Pferden gezogenen Kampfwagens dargestellt. Das alte Siegeslied »Singet Jahwe, hoch erhob er sich: Rosse und Streitwagen warf er ins Meer!« (2. Mose 15,21) und das Grundgerüst des zweiten Mose-Buches (1-15), das von der Befreiung »Israels« vom Frondienst beim Bau der Vorratsstädte Pithom und Ramsesstadt erzählt, sind programmatische Gegenbilder zum pharaonischen Machtanspruch jener Epoche, dem sich die »Exodus-Gruppe« entzog - und die dies als Machterweis ihres Schutzgottes Jahwe deutete. Da die unterschiedlichen Gruppen, die sich in der Stämmegesellschaft Israel zusammenfanden, ihre neue Existenzform ebenfalls als Befreiung von Ägypten und den von Ägypten abhängigen kanaanäischen Stadtfürsten begriffen, und weil dies, wie immer sonst ihre spezifischen religiösen Traditionen waren, allen gemeinsam war, wird schließlich verständlich, dass und wie die Botschaft der Exodus-Gruppe von dem Gott »Jahwe aus Sinai« bald zum verbindenden Basismythos der neu entstandenen Stämmegesellschaft wurde; Jahwe hatte sich als ein vor Ägypten rettender Sippengott erwiesen.
 
Prof. Dr. Erich Zenger
II
Jahwe,
 
nach der hebräischen Schreibweise in lateinischen Buchstaben JHWH (Tetragramm), seit dem 12. Jahrhundert auch als Jehova gelesen, Name des Gottes Israels. Herkunft und Bedeutung sind umstritten, wahrscheinlich heißt Jahwe ursprünglich »Er ist« oder »Er erweist sich« (entsprechend der Umformung in die 1. Person in 2. Mose 3, 14: »Ich bin [werde sein], der ich bin [sein werde]«). Nach 2. Mose 3 begegnet Jahwe zuerst Moses am Sinai. Auf diesen Ort, der als Wallfahrts- und Offenbarungsstätte schon vor Moses bekannt war, oder auf die umwohnenden Halbnomadenvölker der Edomiter, Midianiter oder Keniter geht die Jahweverehrung zurück. Nach der Landnahme setzte sich dann allmählich in ganz Israel die ausschließliche Verehrung Jahwes durch. Das erste Gebot des Dekalogs nennt als grundlegende Tat Jahwes die Herausführung Israels aus Ägypten (Exodus). Von daher gehört rettendes Handeln in der Geschichte zum Wesen Jahwes. Es verbietet die Anbetung anderer Götter (Monotheismus) und untersagt, Jahwe bildlich darzustellen. Spätestens seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. vermeiden die Juden das Aussprechen des Namens Jahwe und lesen stattdessen Adonai (hebräisch »mein Herr«). Septuaginta und Vulgata übersetzen Jahwe mit »Kyrios« und »Dominus«, die meisten deutschen Bibeln mit »Herr«.
 
 
S. Herrmann: Der alttestamentl. Gottesname, in: Ev. Theologie, Jg. 26 (1966);
 N. K. Gottwald: The tribes of Yahweh. A sociology of the religion of liberated Israel, 1250-1050 B. C. E. (Maryknoll, N. Y., 1979);
 
Der einzige Gott. Die Geburt des bibl. Monotheismus, hg. v. B. Lang (1981);
 E. Zenger: Der Gott der Bibel (31986);
 J. Hahn: Das »Goldene Kalb«. Die J.-Verehrung bei Stierbildern in der Gesch. Israels (21987);
 G. Fischer: J., unser Gott. Sprache, Aufbau u. Erzähltechnik in der Berufung des Mose (Ex. 3-4) (1989).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
 
Jahwe
 

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Jah|ve, (ökum.:) Jah|we [hebr. yahwȩ̈, viell. eigtl. = er ist]: Name Gottes im Alten Testament; Jehova.

Universal-Lexikon. 2012.

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